Wasser – die unscheinbarste, aber vielleicht wichtigste Zutat im Bier. Es macht über neunzig Prozent des fertigen Gebräus aus und war schon in der Frühzeit des Brauwesens ein entscheidender Faktor. Doch während heute Laborwerte und Wasseraufbereitung selbstverständlich sind, war das Brauwasser früher eine Frage von Glück, Erfahrung – und Geografie.
Je nach Region unterscheidet sich das Wasser stark in seiner Zusammensetzung. Härte, Mineralstoffe und pH-Wert spielen eine entscheidende Rolle. Weiches Wasser eignet sich ideal für helle, feinmalzige Biere wie Pils oder Helles. Hartes Wasser bringt hopfenbetonte oder dunkle Biere zur Geltung, etwa Porter oder Stout. So erklärt sich auch, warum manche Bierstile dort entstanden sind, wo sie heute als typisch gelten.
Vom Brunnen zum Braukessel
Schon die mittelalterlichen Brauer wussten: Nicht jedes Wasser taugt zum Brauen. Zu „weiches“ Wasser konnte den Sud fade machen, zu „hartes“ führte zu stumpfem, bitterem Geschmack. Manch ein Dorf wurde berühmt, weil sein Brunnen das perfekte Brauwasser lieferte – andere mussten ihr Wasser erst „zurechtkochen“. In alten Brauordnungen hieß es oft schlicht: „Das Wasser soll rein sein.“ Doch was „rein“ bedeutete, wusste man damals nicht. Viele Städte litten unter verunreinigten Brunnen, und das Bier war häufig sicherer zu trinken als das Wasser selbst. Es wurde gekocht, vergoren und durch Alkohol und Hopfen haltbar gemacht – Hygiene durch Zufall, könnte man sagen.
Regionen und ihre Biere
Im Laufe der Jahrhunderte zeigte sich, dass die Wasserqualität über ganze Bierstile entschied:
Pilsen (Tschechien): weiches, fast mineralfreies Wasser – ideal für das feine, goldene Pilsener.
Burton-on-Trent (England): stark sulfathaltiges Wasser – fördert Hopfenbittere, perfekt für Pale Ales.
Dublin (Irland): hartes, karbonatreiches Wasser – lässt dunkle Malze sanfter wirken, ideal für Stout.
Diese natürlichen Unterschiede formten die Bierlandschaft Europas – lange bevor man wusste, warum das so war.
Das Zeitalter der Kontrolle
Erst im 19. Jahrhundert begann man, Wasser wissenschaftlich zu verstehen.
Chemiker wie Justus von Liebig oder Emil Christian Hansen legten den Grundstein für moderne Brautechnik. Nun konnte man Wasser gezielt „burtonisieren“, also anreichern oder entschärfen, um fremde Bierstile nachzubrauen. Damit begann das Zeitalter der globalen Bierstile: Ein Münchner konnte plötzlich ein Pils brauen – und umgekehrt.
Heute: Maßgeschneiderter Geschmack
In modernen Brauereien wird das Brauwasser heute exakt eingestellt: pH-Wert, Mineralien und Härte werden so angepasst, dass sie zum gewünschten Stil passen. Doch trotz aller Technik bleibt das Wasser ein Stück Herkunft.
Ein fränkisches Landbier schmeckt eben anders als ein norddeutsches Pils – auch, weil das Wasser noch immer seinen Charakter mitbringt.
Fazit
Wasser trägt die Landschaft in sich, in der es entspringt – und damit auch ein Stück Identität. In Franken heißt das: Jeder Schluck erzählt von Quellen zwischen Hügeln und Felsen, von Jahrhunderten Brautradition und vom feinen Zusammenspiel zwischen Natur, Handwerk und Geschmack.
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